Rechtsanwalt Thomas Kircher- parteiisch für Betriebsräte und Mitarbeiter

Die drei aktuellen Probleme im Arbeitsrecht: Corona, Corona, Corona

HomeOffice

15.10.2020

Anspruch auf HomeOffice (§ 6 der Muster BV) 1

Verpflichtung des Mitarbeiters in HomeOffice zu arbeiten. 2

Versicherungsschutz der BG.. 2

Datenschutz (§ 10 der Muster BV) 3

Kostenerstattung (§ 9 der Muster BV) 5

Erfassung der Arbeitszeit (§ 7 der Muster BV) 5

Finanzielle Unterstützung. 5

Video Konferenztools und Datenschutz. 6

Probleme rund um das Home Office. 6

 

In Corona Zeiten sind ca 40% der Büroarbeiter in HomeOffice (vorher 14%. Das subjektive Wohlbefinden im Vergleich zu klassischen Bürotätigkeiten sinkt (Younghwan Song, Dies: Telework stress.., Bloom, Dies: working from Home..), die Produktivität steigt um ca 13% (geringere Fehl- und Krankheitszeiten)

 

Die MusterBV ist aus den Entwürfen der IGM ( Seite IGM Heidenheim https://www.heidenheim.igm.de/news/meldung.html?id=94771 ), des AGV Braunschweig (https://www.agv-bs.de/wp-content/uploads/Homeoffice-Betriebsvereinbarung.pdf ) des DBB (https://www.dbb.de/fileadmin/pdfs/2014/140903_alternierende_teleheimarbeit.pdf ) und eigenen Erwägungen entstanden. Berücksichtigt wurde auch das Muster des Auftragsverarbeitungsvertrages des Bayrischen Datenschutzbeauftragten (https://www.lda.bayern.de/media/muster_adv.pdf ).

Lesenswert ist die Mustervereinbarung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Münster (https://www.kab-muenster.de/fileadmin/redakteure/Downloads/2020/Rechtsschutz/Homeoffice_klar_regeln_DV_Home-Office.pdf ). Insbesondere die Abgrenzung Mobiles Arbeiten – Homeoffice, die Regelungen zum Anspruch des MA auf Homeoffice und die Kostenerstattung sind gut und weitergehend als die Vorschläge der DGB Gewerkschaften.

 

Anspruch auf HomeOffice (§ 6 der Muster BV)

 

Als Anspruchsgrundlage kommen nur

- Gesetz ( das Ministerium arbeitet seit einem Jahr daran, die Arbeitgeber blockieren einen Anspruch des Mitarbeiters auf HomeOffice, Mittelweg: Regelung wie in § 9a TzBfG – zu kompliziert; § 15 Abs 7 BEEG – Arbeit während Elternzeit)

- Tarifvertrag (im IGM Bereich NRW nicht: Der TV zum mobilen Arbeiten sieht eine Recht auf HomeOffice nicht vor, auch nicht § 3.3 des SolidarTV 2020)

Betriebsvereinbarung

- Arbeitsvertrag / betriebliche Übung (hierzu differenzierend Steinau-Steinrück NJW Spezial 626/2020), Gleichbehandlung
 in Betracht

Direkte Regelungen in Arbeitsverträgen habe ich noch nicht gesehen. Der Mitarbeiter hat nur ein Recht auf ermessenfehlerfreie Entscheidung nach § 315 BGB.
Aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs 2 BGB, bei Schwerbehinderten § 164 Abs 4 SGB IX) könnte sich bei gesundheitlichen oder sozialen besonderen Erwägungen (Risikogruppe, Kinderbetreuung) etwas anderes ergeben.
Nach § 12a II Nr3 Coronaschutz-Verordnung NRW ( https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-04-16_neufassung_coronaschvo_ab_20.04.2020.pdf ) , müssen Betriebe HomeOffice ermöglichen, soweit dies sinnvoll ist.. Das ArbG Augsburg hat in einem Eilverfahren allerdings einen Anspruch abgelehnt (https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2020-N-11711?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1 )

Aus der in § 241 Abs. 2 BGB normierten Rücksichtnahmepflicht erwächst auch unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie bzw. Pflege und Erziehung der Kinder kein Anspruch auf Home-Office (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 5 Sa 378/14 http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/7qe/page/bsrlpprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&doc.id=JURE150003181&doc.part=L ).

LArbG Berlin-Brandenburg 17 Sa 562/18,

 

Strategisch wäre zu überlegen, ob der Mitarbeiter bei Ablehnung eines Antrages nicht eine Beschwerde nach § 85 BetrVG erhebt.

 

 

Verpflichtung des Mitarbeiters in HomeOffice zu arbeiten

 

Der Arbeitgeber legt nach § 106 GewO der Ort der Arbeitsleistung fest. Während die örtliche „Versetzung" bisher durch die Gerichte als zulässigrecht erachtet wurde, wird die Versetzung in die Wohnung des Mitarbeiters eher kritisch gesehen.

Die Arbeitsgerichte lehnen eine solche Ausweitung des Direktionsrechtes ab ( Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2018, 17 Sa 562/18). Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn der Arbeitgeber den Gesundheitsschutz nicht anders gewährleisten kann. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard (https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Schwerpunkte/sars-cov-2-arbeitsschutzstandard.pdf?__blob=publicationFile&v=1)

 

Das Urteil des VG Berlin (Die Beamtin muss das Homeoffice für einen begrenzten Zeitraum hinnehmen. Die Anordnung zur Heimarbeit verletzt nicht ihren Anspruch auf eine amtsangemessene Beschäftigung ;Beschluss vom 14. April 2020, Az. VG 28 L 119/20) ist so nicht auf das Arbeitsrecht übertragbar.

 

Auf alle Fälle handelt es sich um eine Versetzung nach § 95 Abs 3 BetrVG, so dass eine Anhörung des BR nach § 99 BetrVG erforderlich ist, wenn die Anordnung ersichtlich länger als 4 Wochen dauern soll. Nach Ansicht des Hess. LAG liegt auch eine Versetzung vor, wenn im HomeOffice das zugeordnete Büro verändert wird (https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE200000778 ).
Als Ablehnungsgrund kommen in Betracht: fehlende Umsetzbarkeit weil das Einverständnis des Mitarbeiters fehlt § 99 II Nr 2 BetrVG, Nr 4 Benachteiligung des Mitarbeiters (, Nr,5 fehlende Ausschreibung für einen anderen Arbeitsplatz?) 

 

 

Versicherungsschutz der BG

Eine Tätigkeit im Homeoffice unterliegt den gleichen Anforderungen an Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit wie am betrieblichen Arbeitsplatz.
Arbeitsunfall: Verletzt sich ein Arbeitnehmer auf dem Weg hin und zur Arbeit oder während der Arbeit, tritt die gesetzliche Unfallversicherung ein.
Im Homeoffice ist eine Unterscheidung zwischen Dienst und Privat schwierig.
Ein Sturz des Arbeitnehmers im Homeoffice auf dem Weg von seinem Schreibtisch zur Kaffeemaschine ist eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit sein, so dass dies kein Arbeitsunfall vorliegt (BSG, Urteil vom 05.07.2016, B 2 U 5/15 R).
Ein Sturz im Homeoffice, weil ein Kunde des Betriebs anruft und sich der Arbeitnehmer zum Telefon begeben will, ist ein Arbeitsunfall (BSG, Urteil vom 27.11.2018, B 2 U 28/17 R).

 

Datenschutz (§ 10 der Muster BV)

Zu beachten ist, dass Daten des Mitarbeiters und eventuell der Kunden im Home- Office bearbeitet werden.

Daher sind neben den arbeitsrechtlichen Regelung auch solche des Datenschutzes zu beachten

Rechtlich sind die EU- DSGVO und das BDSG einschlägig. Die EU-DSGVO ist als EU Verordnung unmittelbares anwendbares Recht. Soweit Regelungen des BDSG abweichen oder abweichend ausgelegt werden können, geht das EU- Recht vor.

Bei der Datenverarbeitung sind zu beachten und zu regeln:

Verantwortung
Rechenschaft
Transparenz
Sicherheit
Folgenabschätzung

1.) Daten der Mitarbeiter

a.) Erlaubnisgrundlage sind § 26 I 1 BDSG, Art 6 DSGVO i.V.m. dem Arbeitsvertrag oder BV oder TV.

Es muss ein Arbeitsverhältnis bestehen. Problematisch sind freie Mitarbeiter mit Werkverträgen, Dienstverträgen, freelancer, crowd-worker.

Die Verträge / Normen müssen transparent sein: wer speichert / was / wofür/ aufgrund welcher Regelung/ wie lange.

Problematisch sind besonders geschützte Daten wie Gesundheitsdaten nach Art 9, 4 Nr 15 DSGVO (bei der Frage wer im HomeOffice arbeitet wurden Mitarbeiter wegen ihrer Erkrankungen als Risikopersonen lokalisiert! Wurden vorher Fragebögen dazu verschickt?) Weiterhin sind die Arbeitszeiten besonders geschützt, Kinderbetreuung.

b.) Auch müssen die räumlichen und technischen Voraussetzungen festgelegt werden Art 32 DSGVO - https://dejure.org/gesetze/DSGVO/32.html ). Wie ist die EDV abgesichert – von der Firma zum Mitarbeiterhaus, im Haus mit Kabel oder W-LAN? Wo wird gespeichert (hoffentlich nur zentral!). Ist der Home- Arbeitsplatz abgesichert gegen Mitlesen, Mithören von Mitbewohnern und Besuchern.
( siehe LDA Brandenburg https://www.lda.brandenburg.de/media_fast/4055/Heimarbeit_200323.pdf )

- nur genehmigte HW und SW, Dokumentation der eingesetzten HW und SW

- Verbot lokaler Speicherung (USB Stick im Eigentum des Arbeitgebers).

- Aktenhoheit und Abschließbarkeit, Papiere wegschließen (Aktentasche)

- Ausdruck nur auf Firmendrucker. Bei Ausdruck zu Hause wird fremde HW genutzt!

- Datensicherung

- Verbot für Privatnutzung

- Sicherheit der IT. Diese muss von der IT Abteilung überprüft und dokumentiert werden.

- Verhaltensweisen bei Sicherheitsvorfällen (auf Server lässt sich nichts speichern, Cloud defekt, Daten weg, es knackt in der Leitung,...) Welche Info an wen, wie.

- Kontrollrechte durch Arbeitgeber, BR, Datenschutzbeauftragter regeln: Betreten der Wohnung des Mitarbeiters! Beschlagnahmeschutz nach § 110 III STPO.

- Erfassung der Arbeitszeit, Verfahren bei Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit, Überstunden

- Die zuständigen Gremien müsse einbezogen werden.
Datenschutzbeauftragter (nur Einbindung, kein Verhinderungsrecht)
BR (§87 I Nr 6 BetrVG)

- Verpflichtung des Mitarbeiters aufs das Datengeheimnis Art 29 DSGVO, Der Arbeitgeber sichert zu, dass er die bei der Durchführung der Arbeiten beschäftigten Mitarbeiter vor Aufnahme der Tätigkeit mit den für sie maßgebenden Bestimmungen des Datenschutzes vertraut macht und für die Zeit ihrer Tätigkeit wie auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in geeigneter Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet (Art. 28 Abs. 3 Satz 2 lit. b und Art. 29 DS-GVO)

- Herausgabe der HW am Ende der des HomeOffice oder im Streitfall (Werden die Daten auf einem vom Arbeitgeber gestellten Stick gespeichert sind auch die Daten im Rahmen des Eigentumsrechtes herauszugeben)

Sinnvoll sind zunächst befristete Regelungen. Struktur: Grundsatz / Abweichung/ Einfangen der Abweichung

 

2.) Daten der Kunden.
Der Arbeitgeber bleibt „verarbeitende Stelle“ auch wenn die Daten im Home-Office bearbeitet werden. Dies ändert sich, wenn der Arbeitgeber kein Kontrollrecht im Hause des Mitarbeiters hat. Dann könnte der Mitarbeiter haften.
Eine besondere Information an den Kunden ist nicht erforderlich. Etwas anderes ergibt sich, wenn der Arbeitgeber selbst Auftragsverarbeiter für Daten anderen Kunden ist.

3.) Geschäftsgeheimnisse nach dem GeschGehG http://www.gesetze-im-internet.de/geschgehg/BJNR046610019.html
§ 1 b GeschGehG verlangt
angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen durch den rechtmäßigen Inhaber, insbesondere die Dokumentation und Zugriffrechte. Da muss eventuell an das HomeOffice angepasst werden.

Kostenerstattung (§ 9 der Muster BV)

Arbeiten zu Hause kostet Heizung, Strom, Platz. In der Regel spart der Arbeitgeber weil er nicht so viel Bürofläche zur Verfügung stellen muss. Der Arbeitgeber muss die Kosten nach § 670 BGB erstatten, soweit diese erforderlich sind.
Wenn er dem Mitarbeiter „Miete“ zahlt, sind dies entweder von diesem steuerlich anzugebende Mieteinnahmen oder Lohn (
Bundesfinanzhof [BFH], Urteile vom 16.9.2004 und 11.1.2005, Az: VI R 25/02 und IX R 72/01).
Eine pauschale Aufwandsentschädigung ist SV und Lohnsteuerpflichtig (
Finanzgericht Hamburg Urteil vom 26.2.2001, Az: II 718/99, nicht rechtskräftig).
Möglich wäre ein Warengutschein bis 44,00/Monat (siehe Haufe: https://www.haufe.de/personal/entgelt/gutscheine/so-bleiben-gutscheine-abgabenfrei_78_188804.html ).

Erfassung der Arbeitszeit (§ 7 der Muster BV)

Auch im Home-Office, oder gerade im Home Office muss die Arbeitszeit erfasst werden. Hinweise zur Arbeitszeiterfassung bei „mobiler Beschäftigung“ gibt es in der Untersuchung der Böckler Stiftung (https://www.boeckler.de/download-proxy-for-faust/download-pdf?url=http%3A%2F%2F217.89.182.78%3A451%2Fabfrage_digi.fau%2Fp_study_hbs_426.pdf%3Fprj%3Dhbs-abfrage%26ab_dm%3D1%26ab_zeig%3D8953%26ab_diginr%3D8482 ) , unter anderem mit guten rechtlichen Hinweisen ab S. 96, wann überhaupt nach dem Arbeitsschutz Arbeitszeit vorliegt und wie diese vergütet werden muss .

Finanzielle Unterstützung

Das Wirtschaftsministerium fördert für kleine und mittlere Unternehmen die Einführung von Home Office: http://www.arbrb.de/62117.htm . Und als weiteres Förderprogramm bis 4000,00 EUR https://www.arbrb.de/62270.htm .



Video Konferenztools und Datenschutz

Datenschutzgrundsätze: https://www.datenschutzbeauftragter-info.de/videokonferenz-tools-tipps-zur-auswahl-und-verwendung/

Progammauswahl: https://www.golem.de/news/videokonferenz-programme-im-test-buero-zu-homeoffice-auf-2003-147206.html

https://www.computerwoche.de/a/die-besten-kostenlosen-tools-fuer-videokonferenzen,2369894

https://web.de/magazine/digital/stiftung-warentest-prueft-besten-videochat-dienste-zoom-befriedigend-34701818

Probleme rund um das Home Office

-Die Installation geht in der Regel nicht sofort fehlerfrei

- Richtiger Arbeitsort zu Hause (Infrastruktur)
Trennung Arbeit – Privatraum (Abgrenzung, kommen Sie vom Rechner weg?)

- Alten Rhythmus beibehalten

- Im Team arbeiten (Was geht von zu Hause, was nur in der Firma). Die Teamarbeit leidet. Zum Arbeiten im Team gehörte das informelle Gespräch und der persönliche Kontakt. Neue Teams lassen sich über Home-Office nicht aufbauen

- Arbeit und Familie unter einen Hut bekommen (Absprache zu Hause)
klare Arbeits- und Kinderbetreuungszeiten vereinbaren

- Kosten klären
Papier, Toner, Strom, Heizung, Pauschale vereinbaren

- Problem bedenken: Rivalität Mitarbeiter vor Ort – Home- Office

- Kreativität fördern:
  klare Strukturen für die Fantasie (Arbeitsrituale, Zeitmanagement und Pausen)
  Phasen: Vorbereitung / Ruhephase zum Sacken lassen/ Aha Moment / Realisierung/ Verifikation
  Impulse von außen suchen, nicht einigeln
  mögliche Methoden: Kopfstandtechnik, Reizgegenstandtechnik

(https://www.nar.uni-heidelberg.de/pdf/newsletter/nl7_holm_hadulla_2003.pdf )

 

Home Office Sport- Übungen

Im Stehen telefonieren, Fußwippe machen, einmal in der Stunde Füße für 10 Minuten auf den Tisch legen, einige Minuten auf der Stelle laufen, Kniebeugen, Auf dem Stuhl Oberkörper und Bauch auf den Oberschenkel ablegen , anschließend wieder hoch und zurücklehnen, Stützübung auf den Stuhl: mit Armen an den Lehnen hochstützen, Liegestütz am Tisch

 

Weitere Infos unter https://inqa.de/DE/wissen/schwerpunkt-covid/home-office/uebersicht.html

FAZ 02.08.2020: